EXPERTENINTERVIEW EXPERTENTELEFON \"Angina Pectoris\" am 22.09.2011
Ein Engegefühl in der Brust kann das Symptom einer Angina Pectoris, aber auch rein psychisch bedingt, also funktionell, sein. Wie kann der Arzt den Unterschied feststellen?
- Dr. med. Rainer Matejka: Es gibt eine Faustregel, die sich in der Praxis außerordentlich gut bewährt, selbst wenn man sich aus rechtlichen Gründen nicht immer hundertprozentig darauf verlassen sollte: punktuelle stichartige Beschwerden, die der Patient womöglich dramatisch schildert, deuten eher auf eine psychische, also mehr funktionelle Ursache hin. Man spricht auch von einem psychovegetativen Herzsyndrom. Patienten mit einer echten Angina Pectoris beschreiben eher einen dumpfen Druck und spielen ihre Symptome eher herunter. Ich würde aber bei jedem Patienten, der erstmalig mit einer solchen Symptomatik in die Praxis kommt, wenigstens ein EKG durchführen und mögliche Herzrisikofaktoren abklopfen.
Sollte man bei einem Stechen in der Brust sofort zum Arzt gehen oder kann das auch harmlose Ursachen haben?
- Dr. med. Rainer Matejka: Punktuelles Stechen in der Brust ist meist eher harmlos, vor allem wenn es beim Hindrücken schlimmer wird. In der Regel ist dann von einer so genannten Intercostalneuralgie auszugehen, also einer Reizung der Zwischenrippennerven. Sie tritt teilweise auch im Rahmen von viralen Infekten, beispielsweise auch nach Grippeerkrankungen auf, befällt bevorzugt sensible Menschen, kann aber auch nach stärkerer körperlicher Belastung auftreten. In einem solchen Fall halte ich das sofortige Aufsuchen eines Arztes für nicht erforderlich. Bei einem dumpfen Druck in der Brust, vor allem in den frühen Morgenstunden und dies vor allem bei Menschen mit bekannten Herzrisikofaktoren wie Nikotinmissbrauch, Bluthochdruck und ähnlichem sollte man in der Tat umgehend einen Arzt aufsuchen.
Wie sieht der typische Angina-Pectoris-Patient aus? Stimmt es, dass es vor allem ältere, gestresste Männer trifft?
- Dr. med. Rainer Matejka: Es sind keineswegs nur ältere gestresste Männer. Auch ein Mann um die 40, der Raucher ist und die typische Symptomatik mit Druck hinter dem Brustbein, gegebenenfalls noch mit Ausstrahlung in den linken Unterkiefer und den linken Arm beschreibt, ist hochgradig verdächtig auf eine Angina Pectoris oder gar einen Herzinfarkt. Er muss umgehend und eingehend untersucht und behandelt werden. Es ist also nicht wahr, dass die Symptomatik ausschließlich ältere Patienten im Rentenalter betrifft. Frauen hingegen weisen vor den Wechseljahren offensichtlich unter Einfluss der Östrogene und der Regelblutung eine deutlich niedrigere Angina-Pectoris- bzw. Infarktrate auf als Männer. Fallen Östrogenschutz und Regelblutung nach den Wechseljahren weg, steigt bei Frauen die Herzinfarktrate schlagartig an und – was besonders heimtückisch ist: Die Symptome sind häufig sehr atypisch und werden verkannt.
Können sich Herzbeschwerden, die „nur“ psychisch sind, zu einer Angina Pectoris entwickeln?
- Dr. med. Rainer Matejka: Es ist zwar bekannt, dass Menschen, die unter negativem Dauerstress stehen, häufiger Herzinfarkte oder auch Angina-Pectoris-Anfälle erleiden als Menschen, die diese Belastungen nicht aufweisen. Allerdings halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass ausschließlich aufgrund psychischer Gegebenheiten eine echte Angina Pectoris auftritt. Meist liegen bei entsprechenden Menschen Risikofaktoren vor. Hierzu zählen alle Aspekte des so genannten metabolischen Syndroms mit Übergewicht, Rauchen, hohem Blutdruck, Diabetes etc.
Führt eine Angina Pectoris unweigerlich zu einem Herzinfarkt?
- Dr. med. Rainer Matejka: Eine Angina Pectoris muss nicht zum Herzinfarkt führen, sie sollte aber ein Warnschuss sein. Sie stellt eine Vorstufe des Herzinfarktes dar. In dieser Phase ist es wichtig, alle Register zu ziehen, damit es nicht zum wiederholten Auftreten von Angina Pectoris kommt. In vielen Fällen können bereits medikamentöse Interventionen die Symptomatik nachhaltig lindern. Speziell in Deutschland werden jedoch häufig auch operative Interventionen durchgeführt, beispielsweise Bypass-Operationen oder der Einbau von Gefäßstützen, den so genannten Stents.
Was können Naturheilverfahren bei organischen und nicht-organischen Herzbeschwerden leisten?
- Dr. med. Rainer Matejka: Normalerweise assoziiert man Herzerkrankungen mit der modernen Akutmedizin. Ich bin aber der Meinung, dass auch Naturheilverfahren eine ganze Menge leisten können, besonders bei nicht-organischen Herzbeschwerden, aber auch begleitend bei organischen Herzbeschwerden.
Bei funktionellen und auch organischen Herzbeschwerden sind vor allem pflanzlich/homöopathische Präparate sowie Mineralien, Spurenelemente und Vitamine besonders geeignet. Das Günstige dabei: Diese Mittel lassen sich in aller Regel problemlos mit chemischen Arzneien kombinieren, ohne kritische Wechselwirkungen auszulösen. Bei echten organischen Herzerkrankungen ist die Stärke der Naturheilkunde ansonsten in der Prävention zu sehen. Durch gesunde Ernährung, etwa auf der Basis der viel zitierten mediterranen Kost gelingt es, zahlreiche Risikofaktoren von vornherein zu vermeiden oder – wenn sie bereits bestehen – zu minimieren. Das Naturheilverfahren „Bewegungstherapie“ ist seit Jahrzehnten Bestandteil der Rehabilitationsmedizin. Zum Glück sind ja die Risikofaktoren für eine Herzerkrankung gut definiert, so dass ich fast sagen möchte: Wer konsequent Risikofaktoren minimiert, hat gute Chancen, niemals von einer schweren Herzerkrankung betroffen zu sein.
Worauf sollten Menschen mit Herzproblemen bei ihrer Ernährung besonders achten?
- Dr. med. Rainer Matejka: Zunächst sollte Übergewicht vermieden werden. Studien zeigen ferner, dass eine vegetarisch betonte, in Einzelfällen sogar vegane Kost bei bereits bestehender koronarer Herzkrankheit im Stande ist, nicht nur diese zu bremsen, sondern in einigen Fällen sogar zurückzudrängen. Besonders wichtig erscheint mir zudem die Zufuhr großer Mengen hochwertiger Fettsäuren, der heute viel zitierten Omega-3-Fette. Sie finden sich außer in Fischen - und hier vor allem in Kaltwasserfischen wie Hering oder Makrele, aber auch in der Forelle – auch in Hanföl, Leinöl und zum Teil auch in Rapsöl. Weiterhin würde ich Herzpatienten Zurückhaltung beim Kochsalzkonsum empfehlen. Der Durchschnittsbürger nimmt viel zu viel Salz zu sich, was vor allem daran liegt, dass zahlreiche Fertignahrungsmittel - wie Käse, Wurst oder Konserven - reichlich Salz enthalten. Salz führt zur Volumenspeicherung, wodurch das Herz mehr belastet wird und es leichter zu einem Blutdruckanstieg kommen kann. Zudem werden die Nieren mehr belastet. Auch bei Getränken sollte man auf salzarme Sorten achten. Wer als Herzpatient Mineralwasser trinkt, dem würde ich empfehlen, auf die Zusatzbezeichnung „für Säuglingsernährung geeignet“ zu achten.
Kann ein herzschützendes Magnesium-Präparat bei Angina Pectoris oder bei funktionellen Herzbeschwerden helfen?
- Dr. med. Rainer Matejka: Magnesium-Präparate eignen sich bei einer ganzen Reihe von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. Man muss sich nur einmal das Wirkprofil von Magnesium bewusst machen: Es wirkt entkrampfend und entspannend und sorgt gleichsam dafür, dass der Herzmuskel nicht so überlastet wird. Darüber hinaus verbessert sich die Durchblutung in den Herzkranzgefäßen und in den Herzmuskelzellen. Obendrein ist bei Magnesium eine Wirkung gegen Stress und Depressionen nachgewiesen. Die Orotsäure fungiert als Energielieferant der Herzmuskelzelle, so dass sich die Kombination mit Magnesium, wie in dem Wirkstoff Magnesiumorotat, auch bei der Herzschwäche im weitesten Sinne eignet.
Ist die Lebensqualität bei Angina Pectoris stark eingeschränkt? Müssen die Betroffenen etwa völlig auf Genussmittel oder Sport verzichten?
- Dr. med. Rainer Matejka: Die Lebensqualität bei Angina-Pectoris-Patienten kann natürlich in der Akutphase stark eingeschränkt sein, langfristig muss das aber nicht so sein. Gerade Sport, individuell angepasst, stellt einen wichtigen Therapieschritt dar. Man weiß, dass moderater Sport, abgesehen von immunstärkenden Effekten, auch die Bildung natürlicher Bypässe fördert. Gerade darauf kommt es bei der Angina Pectoris an. Obendrein hat Sport eine stimmungsaufhellende und entstressende Wirkung und beugt Schlaganfällen vor. Natürlich muss die Festlegung sportlicher Betätigung in enger Absprache mit dem Arzt erfolgen. Anders sieht die Situation bei Genussmitteln aus. Rauchen – egal ob aktiv oder passiv – hat völlig tabu zu sein, da es das stärkste Gefäßgift darstellt. Anders und kontrovers wird dagegen der Einfluss von Alkohol beurteilt. Eine große Metaanalyse, die mehrere Einzelstudien miteinander verglichen hat, kommt zu folgendem Ergebnis: Wer drei bis vier Mal in der Woche – also nicht täglich – einen „Drink“ zu sich nimmt, hat offenbar ein deutlich geringeres Risiko für Herzinfarkte beziehungsweise für einen Herztod. Bei täglichem, aber moderatem Alkoholkonsum, egal ob Rotwein, Weißwein oder Bier, lässt sich dieser Vorteil nicht mehr erkennen. Wird mehr als ein Drink pro Tag konsumiert, steigt das Risiko für Herzerkrankungen exponentiell an.
Wie kann man am effektivsten vorsorgen, damit es erst gar nicht zu einer Brustenge und anderen Herzbeschwerden kommt?
- Dr. med. Rainer Matejka: Als vorbeugende Maßnahme könnte man sicherlich sehr vieles aufführen. Ich möchte hier mit einem Augenzwinkern an die fünf Weisheiten des Hippokrates denken.
- „Ernähre Dich bevorzugt von pflanzlicher Frischkost und gehe sparsam mit tierischen Nahrungsmitteln um“.
- „Faste zweimal jährlich“. Neuerdings weiß man, dass Kurzfasten, beispielsweise einen Tag in der Woche oder alle zwei Wochen, sehr gute vorbeugende Effekte hat.
- „Führe zweimal jährlich einen Aderlass durch“. Tatsächlich zeigen verschiedene Studien, dass wer regelmäßig Aderlass durchführt, signifikant weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle aufweist.
- „Arbeite täglich im Freien bis zum Schwitzen“. Hier haben wir die körperliche Betätigung.
- „Lasse dich täglich mit Öl einreiben und Dir eine Ganzkörpermassage verabreichen“.
Wem würde dies nicht gut tun?
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